Zwei Ölschieferwerke des Unternehmens „Wüste" befanden sich in Erzingen: Werk 4 in der Flur Kilchsteige (auf dem Geischberg) und Werk 5 im Bonbachtal. Zur Deckung des Arbeitskräftebedarfs errichtete die SS-eigene Firma Deutsche Schieferöl GmbH im Mai 1944 auf dem Hungerberg ein Barackenlager für mehr als 2000 russische Kriegsgefangene und gegenüber dem Bahnhof ein kleineres Lager für Häftlinge des KZ Natzweiler-Struthof. Die ersten 200 KZ-Häftlinge trafen im Juni 1944 ein. Erzingen war ein sogenanntes Nacht-und-Nebel-Lager für politische Gefangene aus West- und Nordeuropa. Niemand sollte wissen, ob sie noch leben und wo sie sich befinden. Entsprechend hoch war die Fluktuation der Häftlinge. 993 waren es im gesamtem Zeitraum. Sie wurden von SS-Leuten bewacht. Die höchste Belegung hatte das Lager mit 322 Häftlingen. Deren Versorgung und Unterbringung war besser als in größeren KZ-Lagern, beispielsweise in Dautmergen. So sind aus Erzingen lediglich acht Todesfälle bekannt geworden.
Schlechter war die Situation im „Russenlager“ auf dem Hungerberg. Einer der 120-150 Wachmänner, ein Wehrmachtssoldat, schrieb: „Die Russen sind in langen Baracken untergebracht, je Baracke 500 Männer. An den Längswänden stehen Brettergestelle ohne Strohsäcke, auf denen die Leute schlafen . ... Es sind arme Kerle , schlecht ernährt und noch schlechter gekleidet. Die Uniformen sind verdreckt und nur noch als Lumpen zu bezeichnen. Die meisten tragen Holzschuhe und haben die Füße mit Sackleinwand umwickelt . ... Die Verpflegung ist miserabel , man wird von der dünnen Suppe nicht richtig satt. “ Die Zahl der toten russischen Kriegsgefangenen ist unbekannt.
Mit dem Aufbau der Ölschieferwerke wurde Ende Mai 1944 begonnen. Im Juli erfolgte deren Eingliederung in das Unternehmen „Wüste". Wie in allen anderen Wüste-Werken kam auch in Erzingen das Meilerverfahren zur Anwendung. Im Februar 1945 war der etwa 300 Meter lange schmale Meiler hier auf dem Geischberg (Kilchsteige) bereits gezündet. Noch Monate nach Kriegsende schwelte er qualmend vor sich hin. Im Wüste-Werk 4 wurde also noch während des Krieges aus Schiefer Öl gewonnen.
Am 14. April 1945 wurden alle 126 Häftlinge des Erzinger KZ mit der Eisenbahn zu einem Außenlager des KZ Dachau im Münchner Stadtteil Allach transportiert. Eine Woche später entfernten sich die Wachen des „Russenlagers" und die Kriegsgefangenen waren frei. Durch deren rasche Versorgung mit Lebensmitteln verhinderte die Erzinger Einwohnerschaft, dass es zu massiven Ausschreitungen kam.
Beim Gang über die Erzinger Gemarkung stoßen wir heute noch auf bauliche Reste des Unternehmens „Wüste". Am meisten beeindruckt wohl der von Bäumen und Gebüsch bewachsene, 300 Meter lange Schiefermeiler. Südwestlich davon in einem inzwischen bewaldeten Teilstück finden sich noch ein Generatorenhaus und ein Ölbunker sowie am östlichen Hang des Bonbachtals ein Transformatorengebäude. Auf dem Hungerberg haben sich im heutigen Gebäudebestand noch Teile des „Russenlagers" erhalten. Vom KZ-Lager beim Bahnhof ist dagegen nichts mehr vorhanden.